Auf zu neuen Ufern...

... oder doch nicht? So langsam scheint es wahrhaft verwirrende Ausmaße anzunehmen, was die Geschichte von Mantus betrifft. Mitte vergangenen Jahres überraschte uns das Duo mit der Veröffentlichung des "wirklich allerletzten" Albums Zeit muss enden, obwohl die Band ein Dreivierteljahr zuvor eigentlich ihre Auflösung verkündet hatte – doch nun gibt es wieder Neuigkeiten von den Geschwistern Tina und Martin Schindler zu berichten. Ein Best Of-Release ist für die nächste Zeit angesetzt, und das könnte durchaus den einen oder anderen in ziemliche Verwirrung stürzen. Das wollen wir natürlich keinesfalls und haben daher Martin zum Thema "Mantus" und auch zu seiner neuen Formation Sepia einige Löcher in den Bauch gefragt.
Zum Interview traf man sich im Kölner Studentenviertel in einer gemütlichen Kneipe, um die mysteriösen Ereignisse um Mantus mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Martin wirkt recht locker, so dass das Gespräch schnell auf den Punkt kommen kann. Freilich interessiert uns erst mal, was denn letztlich zum Best Of-Werk führte, nachdem das offiziell allerletzte Album bereits Monate zurückliegt. Anlass für die Chronik betitelte Anthologie war, verrät Martin, dass die ersten vier Mantus-Scheiben nicht mehr erhältlich sind und man sich deshalb überlegt habe, die liebsten Stücke in Gestalt einer Kollektion auf zwei CDs zu verewigen. "Es ist eher eine persönliche Best Of dabei herausgekommen, mit Songs, die auch meine Favoriten darstellen. Und gerade bei den Bonustracks habe ich natürlich Songs gewählt, in die ich mich nach wie vor hereinversetzen konnte und wo es für mich sinnvoll war, diese Songs noch einmal neu einzuspielen", erläutert Martin auf die Frage, ob es schwierig sei, nach so langer Zeit wieder in die Welt von Mantus einzutauchen und eine Retrospektive zusammenzustellen.
Nicht nur der Abstand zur Sache, sondern auch eine gewandelte Prioritätensetzung hat bei der Auswahl der Tracks eine große Rolle gespielt. Die Fans werden vermutlich erstaunt sein, Wir warten auf den Tod nicht auf Chronik zu finden, zählt dieser Titel doch zu den bekanntesten Liedern des Geschwisterpaares. "Das Stück ist mittlerweile auf recht vielen Samplern verewigt worden, und daher war für mich klar, dass die Songs bei der Auswahl Vorrang haben, mit denen ich mich auch heute noch identifizieren kann." Und das dürften am ehesten die Kompositionen vom 2005 erschienenen Longplayer Zeit muss enden sein, welche Martin dank Ideenüberschusses den anderen Platten hinterherschickte, und von denen so manche auf Chronik vertreten sind.
Durch die Arbeit an Sepia hat Martin eine sehr große Distanz zu Mantus gewonnen; dies und eine veränderte Lebenseinstellung machten die Auswahl der Songs zu einer Herausforderung. "Mantus war jahrelang ein Teil von mir, und ich habe mein komplettes Leben danach ausgerichtet. Die einzige Schwierigkeit war, dass ich die Sache etwas mit Abstand betrachten musste, weil ich mittlerweile mit anderen Sachen rund um Sepia beschäftigt war." War Chronik denn ein von Tina und Martin gemeinsam beschlossenes Projekt? "Die Entscheidung zur Best Of und auch die Zusammenstellung und die Bonustracks habe ich eigentlich alleine getroffen, und bei der Produktion war sie auch nicht direkt beteiligt, aber wir haben uns natürlich schon abgesprochen, wie ein solches Album im Endeffekt aussehen soll."
Martins veränderte Lebenseinstellung macht es für ihn inzwischen unmöglich, noch weiter an Mantus festzuhalten, da er nicht mehr genauso hinter den Ansichten in seinen Songs steht wie zu dem Zeitpunkt, als er sie zu Papier gebracht hat. Er habe damals eine sehr negative und düstere Weltanschauung gepflegt und seine Gefühle in den Mantus-Texten verarbeitet und widergespiegelt. Aufgrund seines veränderten Blickwinkels hob er mit seiner Schwester die Gruppe Sepia aus der Taufe. "Was ist an ihr so anders, wenn es doch die gleiche Besetzung ist?", werden sich jetzt viele wundern. "Ich glaube, das Wesen eines Menschen lässt sich nicht grundsätzlich verändern, und das sollte man auch gar nicht versuchen; bei Mantus beziehungsweise Sepia liegt der Unterschied wohl auch darin, dass es für mich heute andere Wege gibt, Dinge zu verarbeiten und künstlerisch umzusetzen, als ich es früher gemacht habe."
Die Fans hatten sicherlich hart daran zu knabbern, dass Mantus nie auf Tour gegangen sind oder sich sonstwie auf irgendeiner Bühne präsentiert haben. Der Umstand, dass Martin alle Instrumente selbst eingespielt und noch dazu neben Tina gesungen hat, machte eine Live-Show unmöglich. Sepia allerdings ist eine "richtige" Band mit allem, was dazugehört, und man will in Zukunft auch das eine oder andere Konzert geben. Insgesamt verkörpere Sepia eine aufgeschlossenere Mentalität und sei einfach positiver und hoffnungsvoller, als Mantus es war. Man poche weniger auf Klischees, sondern mehr auf Tiefgründigkeit, so Martin auf die Erkundigung, was Sepia von Mantus unterscheidet. "Im Prinzip ist Sepia das, was wir schon immer machen wollten und nun verwirklichen." Das klingt ein bisschen, als würde Martin das, was er mit und aus Mantus gemacht hat, bereuen. "Nein, bereuen tu' ich nichts. Wie gesagt, Mantus war mein Leben. Ich bereue höchstens unsere professionellen Musikvideos, aber sonst nichts", lacht er. Er könne mit Mantus schlicht nicht mehr die ehrliche Musik machen, die es noch vor ein paar Jahren war und die die Anhänger erwarten. Und mit der gleichen Band einen Stilbruch zu wagen, sei ziemlich risikoreich. Da wolle man lieber einen Schlussstrich ziehen und mit neuem Ensemble neu beginnen. So könne man sich auch selbst besser verwirklichen und seine Vorstellungen freier einbringen, führt Martin aus. Das Sepia-Debut wird voraussichtlich noch in diesem Jahr erscheinen; der Termin und das Label sind indes momentan unklar.
Natürlich kommt bei all dem Wirrwarr um Sepia und Mantus noch die Frage auf, wie es denn aktuell mit Martins drittem Standbein Black Heaven ausschaut: "Black Heaven bleibt im Prinzip von der ganzen Entwicklung um Sepia und Mantus unberührt, und ich werde da auch weiterhin aktiv sein. Um ehrlich zu sein, habe ich schon wieder angefangen, mir Gedanken für neue Songs beziehungsweise eine neue Veröffentlichung zu machen, allerdings lasse ich die Sache langsam angehen. Auch kann ich noch nicht sagen, wo ein nächstes Black Heaven-Album erscheinen wird und mit wem ich da zukünftig zusammenarbeiten werde; diese Dinge werde ich demnächst mal angehen. Wegen einer möglichen Veränderung könnte ich mir vorstellen, dass ich Black Heaven etwas mehr auf mich selbst fokussiere und auch die meisten Gesangsparts übernehme, da ich bei Sepia ja gar nicht zum Mikro greife. Black Heaven insgesamt wird sich natürlich weiterentwickeln, aber da ist es zu früh, um konkret zu werden." Also können die Black Heaven-Fans einigermaßen beruhigt aufatmen, denn hier zeichnet sich offenbar kein Neustart, Abschied oder Ähnliches ab.
Jetzt heißt es aber absolut endgültig von Mantus Abschied nehmen, denn die Best Of-Kopplung ist laut Martin das definitiv Letzte, was von Mantus noch zu erwarten sein wird.
www.sepia-music.comHannah SchneiderDiscographie (Alben):
Liebe und Tod (2000)
Abschied (2001)
Fremde Welten (2002)
Weg ins Paradies (2003)
Ein Hauch von Wirklichkeit (2004)
Zeit muss enden (2005)

Line-Up:
Martin Schindler – Texte, Gesang, MusikTina Schindler – Gesang


Rezension "Kunstwerk" HÖRSPIEGEL
Interview "Moon Silence" 01.07.2003