ORKUS 10/2005 (2)

MANTUS - Sich darauf besinnen, was man wirklich will
- Das Finale - Teil 2 -

Axel Schön
mit Martin und Tina, Oktober 2005

"Auch wenn ich die Liebe für eine Illusion halte, ist es doch das, wofür es sich zu leben lohnt". Mit diesen Worten von Martin Schindler schloss in der vergangenen Ausgabe der erste Teil unseres Gespräches mit Mantus. Auch die letzte Veröffentlichung der Formation handelt noch einmal von Liebe: Liebe zur Musik, Liebe zur Wahrheit und zu klaren Statements, zwischenmenschliche Liebe... Hier nun die Fortsetzung unseres Interviews mit Martin und Tina über ein Album und ein Ende.

Orkus: Habt ihr erst die Stücke für euer aktuelles Werk Zeit muss enden komponiert und produziert, und dann die Entscheidung getroffen, Mantus zu �begraben�? Oder war die Entscheidung bereits gefallen, als die Aufnahmen begonnen worden?
Martin: Nein, die endgültige Entscheidung habe ich erst Ende letzten Jahres getroffen. Bis dahin war bereits ein komplettes sechstes Mantus-Album fertig produziert. Nach der Entscheidung wurden dann alle Planungen erst einmal über den Haufen geworfen; es war gar nicht sicher, ob noch ein Album kommen würde. Aber der Song Zeit muss enden existierte bereits, und einen passenderen Titel für ein Abschiedsalbum kann es ja kaum geben. Die Entscheidung der Auflösung kam für alle sehr plötzlich, und ich hielt es für richtig, noch so ein besonderes Album zu bringen, vor allem wegen der Fans.

Orkus: Eure Entscheidung hat also die Platte beeinflusst?
Martin: Ja, das Album wurde komplet5t neu zusammengestellt und nachproduziert. Trotzdem ist auch hier deutlich, daß der Sound härter ist und die Lyrics sich verändern. Es standen viele Ideen im Raum, wie diese letzte Veröffentlichung beschaffen sein sollte. Letztendlich haben wir das Möglichste gemacht, was das Budget hergab.

Orkus: Das Lied Zeit muss enden steht dennoch textlich völlig losgelöst Vom Enden der Ära Mantus.
Martin: Den Songtitel habe ich in Anlehnung an das gleichnamige Buch von Aldous Huxley gewählt, und ich habe mich dann auch bewusst für diesen Titel des finalen Albums entschieden. Es ist mal wieder ein mehrdeutiger Text, wie übrigens bei den meisten Mantus-Songs, in denen es um die Liebe geht. Im Prinzip geht es in diesen Songs oft um das Verhältnis von mir zum Leben an sich, das ich sehr gerne personifiziere. Heute sehe ich eben bestimmte Dinge anders, und ich lasse nichts mehr in mein Leben, das mich runterzieht und krank macht.

Orkus: Ihr habt dieses mal gleich fünf Tracks anderer Gruppen bearbeitet. Wie kam es zu dieser Auswahl?
Martin: Ja, für das letzte Mantus-Album habe ich mir erlaubt, fünf Cover-Versionen als Bonustracks zu veröffentlichen, obwohl ich nicht unbedingt ein Freund davon bin, wenn viel gecovert wird. Diese Stücke haben jedoch alle in irgendeiner Weise eine persönliche Bedeutung für mich. Die Auswahl von deutschsprachigen Cover-Versionen ist nicht besonders leicht, da es soviel gute deutschsprachige Musik nicht gibt. Deshalb habe ich lange überlegt, für welche Stücke ich mich entscheide. Es gäbe da natürlich noch Sachen wie Element of Crime, Ton Steine Scherben, Kettcar oder so etwas, doch da fehlte mir der Ansatzpunkt, um das Mantus-Feeling zu transportieren. Es ist schon eine große Aufgabe, Klassiker wie Haus der Lüge von den Einstürzenden Neubauten zu interpretieren, ohne das Stück zu verhunzen. Oder den Skeptiker-Song Camille Claudel, die ja eine komplett andere Musikrichtung spielen als wir, in ein anderes Licht zu rücken.

Orkus: Wie seid ihr denn auf die bewegende Geschichte der Camille Claudel gestoßen, und was hat euch dazu bewogen, gerade ihr Schicksal zu vertonen? Wollt ihr Text und Lied exemplarisch für etwas verstanden wissen oder als konkrete Hommage an die Künstlerin?
Martin: Ich kenne das Schicksal dieser Frau eigentlich nur durch den Song von der Skeptikern, und da es bei Mantus-Texten ja meist um individuelle Schicksale geht, passt dieser Songtext ganz gut in unser Konzept.

Orkus: Nun präsentieren Sepia, euer neues Projekt, neben anderen Musikern wiederum Martin und Tina als grundlegende Protagonisten. Das stellt sich für einen Außenstehenden natürlich schnell als �alter Wein in neuen Schläuchen� dar, zumal zumal ja Deine Kompositionen, Martin, wie auch deine Stimme, Tina, sehr charakteristisch sind.
Martin: Wenn man sich die Songs auf der Sepia-Homepage anhört, wird ganz schnell deutlich, was sich alles geändert hat und in welche Richtung es geht. Gerade in den beiden Punkten, die du ansprichst, liegen nämlich die großen Veränderungen. Einzig bei den Balladen gibt es Parallelen zu Mantus. Ansonsten hat der Gesang von Tina nichts mehr mit Heavenly Voices zu tun, fällt viel tiefer und dynamischer aus. Die Kompositionen und Arrangements sind um einiges anspruchsvoller als bei Mantus. Das Songwriting besteht meist aus harten Parts und Metal-Riffs, die sich mit melodischen Parts abwechseln. Der Sound an sich ist komplett anders, da wir auf siebensaitige Gitarren und fünfsaitige Bässe umgestiegen sind. Den ganzen romantischen Ansatz von Mantus gibt es bei Sepia nicht. Die Lyrics beinhalten nicht das, wie es sein könnte, sondern wie es ist. Ich möchte, dass meine Überzeugungen und meine Gefühle in die Welt herausgeschrien werden. Mantus war introvertiert, Sepia dringt nach außen! Wenn man gute Live-Shows machen will, muss man als erstes als Band zusammenwachsen, und mit Micha am Schlagzeug und Peppe an den Gitarren haben wir Leute gefunden, mit denen das möglich ist. Sie bringen ihre Charakteristik in die Songs ein, und das bereichert den Sound natürlich ungemein.

Orkus: Was ist euer ganz eigenes Fazit nach fünf Jahren Mantus?
Martin: Die Frage wurde mir schon häufiger gestellt. Man könnte drauf so vieles antworten und wird der Sache trotzdem nicht gerecht. Es war eine wunderbare Zeit, und wir sind glücklich, das wir alles so miterlebt haben. Es war und ist stets ein tolles Gefühl, die Leute durch die eigene Musik zu erreichen und etwas in ihnen zu bewegen. Es ist großartig, wenn einem die Möglichkeit gegeben wird, sich künstlerisch zu verwirklichen. Ich persönlich habe es sogar größtenteils geschafft, mich durch die Musik zu finanzieren, und das ist wohl der größte Traum eines Musikers: von der eigenen Musik leben zu können.

Orkus: Fünf Jahre bedeuten ja immerhin ein kleines Jubiläum. Ist es Zufall, das nach genau einer halben Dekade die Bandgeschichte von Mantus endet?
Martin: Genau genommen existieren Mantus schon seit 1997/98. Damals hatte ich aber noch nicht die Absicht, zu veröffentlichen, sondern habe Musik für mich allein gemacht. Im Jahr 200 habe ich dann ein Demo verschickt und bekam einen Plattenvertrag. Seitdem war Mantus sozusagen öffentlich.

Orkus: Wird es Mantus definitiv nie wieder geben?
Martin: Ich denke nicht.

Orkus: Ist Black Heaven eigentlich auch von Eurem Neuanfang betroffen?
Martin: Im Prinzip nicht, Allerdings arbeite ich zur Zeit nicht an diesem Projekt, weil Sepia einfach jegliche Zeit in Anspruch nimmt.

Orkus: Auch wenn ihr mit Sepia natürlich schon vorwärts gegangen seid: Macht euch der Abschied, das Aufgeben von Mantus ein wenig traurig? Oder geht das relativ emotionslos vonstatten, nachdem diese Entscheidung nun mal gefallen ist)
Martin: Im letzten Jahr habe ich sehr lange überlegt, wie und ob es weitergehen soll, was das Beste für uns als Musiker ist, und wie ich es schaffen kann, etwas neues zu machen, ohne das sich erst mal alle Welt von uns abwendet. Anfangs habe ich einige böse e-mails erhalten, aber ein grossteil konnte die Entscheidung nachvollziehen, und man ist gespannt auf Sepia. Als der Schritt definitiv vollzogen war, habe ich nur nach vorn geblickt. Da gab es neue Songs, neue Leute und ein ganz anderes Gefühl für mich, Musik zu machen und Musik zu leben. Dieser Rückblick auf Mantus wird wahrscheinlich erst zu einem spätern Zeitpunkt kommen, wo man sich an alles noch mal im Detail erinnern will. Wir hören ja nicht auf, wir machen ja nur anders weiter, und deshalb sehe ich an der ganzen Sache nichts negatives.
Tina: Ich kann mich Martin nur anschließen. Ich war natürlich schon auch ein bisschen traurig, als definitiv der Schlussstrich gezogen war, da schließlich mit Mantus alles begann, Mantus mir sehr wichtig war, ein Teil meines Lebens. Jetzt stecken wir all unsre Energie in Sepia und blicken euphorisch in die Zukunft. Da wir ja jetzt mit Band spielen und Live-Auftritte haben, macht die Musik mir noch mehr Spaß als früher.